Entscheidung für Thüringen

Aus Hagen Frey
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Nach der Wahl ist vor der Wahl

Es ist vorbei 25.02.2008

Matschie macht das Rennen: mdr-Beitrag (auch als Video dort zu finden)

Matschie ist Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten: TA-Vlog

Matschie gewinnt Urwahl trotz 1391 : 1524. Klicken bei TA-VLOG allein genügt nicht

Entscheidung für Thüringen 24.11.2007 - 24.02.2008

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  • Dietmar Herz (Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Erfurter Universität) - 31. Januar 2008
  • Frank Meyer - Erfurt - 29. Januar 2008
  • Showdown am Goetheplatz Beitrag von Radio Lotte Weimar mit freundlicher Genehmigung des Autors. Dieser Beitrag zeigt die für Außenstehende eigentlich unverständliche Situation die Thüringer Sozialdemokraten. Für Internetnutzer mit Hardwareproblemen bei der Wiedergabe der Audio-Datei hier eine Transkription des Beitrages:

Showdown am Goetheplatz, Radio Lotte Weimar, 01.02.2008

Gestern abend: primary im mon ami. Da waren zwar weder Hillary Clinton noch Barack Obama anwesend, aber auch im kleinen Thüringen gibt es eine Art Vorwahl, nämlich innerhalb der SPD. Da bewerben sich gleich zwei Kandidaten um die Spitzenkandidatur für das Ministerpräsidentenamt. Zum einen der ehemalige Thüringer Innenminister Richard Dewes und zu anderen der amtierende Landesvorsitzende Christoph Matschie. Beide stellen sich zurzeit bei allen Kreisverbänden der SPD vor. Gestern abend war Duell Numero zehn hier in Weimar von insgesamt 21 in Thüringen und Micha war für uns vor Ort und ist jetzt im Studio.

Die Stimmung war außergewöhnlich, man sah es auch an dem Medieninteresse, denn außer dem führenden Sender Radio Lotte waren auch noch etwas unbekanntere wie das zweite deutsche Fernsehen am Platz, auch der MDR war mit einem Rundfunkteam da, ebenso die Lokalpresse. Da war schon etwas große Beachtung.

Also kann man wirklich sagen: Showdown am Goetheplatz. Und wer hat gewonnen?

Wenn man das Ergebnis am Applaus festmachen will, dann war es eindeutig Christoph Matschie, der hatte etwa im Verhältnis fünf zu eins mehr Beifall als sein Kontrahent Richard Dewes. Allerdings die eigentlichen Gewinner dieser ganzen Veranstaltung waren gar nicht da, das sind nämlich alle politischen Gegner der SPD, die von dem anhaltenden Zwist in der Partei eigentlich nur profitieren können.

Woran hat sich denn dieser ganze Streit eigentlich entzündet? Wer kämpft da eigentlich gegen wen?

Es was ja so, dass sich Christoph Matschie sich sehr frühzeitig festgelegt und verkündet hat, dass er keinesfalls gewillt ist als Juniorpartner in eine Koalition mit der Linken eintreten zu wollen. Damals hat der Landesvorstand der SPD seinen Standpunkt bestätigt. Jetzt ist auf dem letzten Landesparteitag der SPD hier in Thüringen in Schmalkalden der ehemalige Parteivorsitzende und Innenminister Richard Dewes aufgetreten und hat gesagt, er sei durchaus für eine Koalition mit der Linkspartei auch unter deren Führung und hat seine Kampfkandidatur gegen Matschie angemeldet. An letzten Dienstag nun verlautbarte mehrheitlich der selbe Landesvorstand, der einstmals Matschie zustimmte, so nach dem Motto "Vorwärts Genossen, wir müssen zurück", dass er nunmehr Dewes' Position einnehme. Vor der Strategieplanung her gesehen, da war selbst die Olsenbande noch cleverer und berechenbarer.

Was sich die Kandidaten jetzt selber von dieser ganzen Aktion versprechen, das können wir uns mal anhören. Zunächst Richard Dewes, was er sich von dieser Veranstaltung erhofft: "Was spürbar ist bei diesen Veranstaltungen, das ist das es eine große Bewegung in der Partei gibt. Das Interesse ist groß. Jede Veranstaltung ist anders. Gestern im Eichsfeld war anders als heute hier in Weimar. Auch für den jeweiligen Kandidaten sind die Veranstaltungen sehr unterschiedlich. Ich halte es für wichtig, dass die Argumente ausgetauscht werden. Das Feedback kommt auch zuhause, es kommt im Umfeld für jeden, der SPD-Politik verkörpert als Mitglied. Ich bin sehr optimistisch, wenn die restlichen drei Wochen vorbei sind, dass dann eine große Beteiligung statt findet und ich erhoffe mir davon auch ein positives Ergebnis."

Mit den restlichen drei Wochen meint Dewes natürlich den Termin bis zur Urwahl. Die Urwahl aller Mitglieder wird am 24. Februar stattfinden, wo sich alle Mitglieder für einen der beiden Kandidaten entscheiden können. Christoph Matschie hat, und das ist signifikant für die ganze Diskussion, sich anders geäußert, er ist inhaltlich vorangegangen: "Für mich geht es darum, dass wir mit einer Wahlkampfstrategie in das Jahr 2009 gehen, die erfolgreich ist für die SPD. Wir wollen den Wechsel in Thüringen.Wir können uns das vorstellen mit der Linkspartei, allerdings nur unter Führung der SPD. Alles andere möchte ich ausschließen und darüber entscheiden jetzt die Mitglieder."

Er sagt jetzt eindeutig: als Juniorpartner möchte er nicht auftreten sondern nur als Ministerpräsident.

Das ist seine Position, er hat deutlich den Führungsanspruch der SPD unterstrichen. Er will Ministerpräsident werden und nur dann ist er bereit, mit der Linkspartei zu koalieren.

Wie war denn gestern die Atmosphäre während der Diskussion? War die eher verhalten oder gab es da richtig Ärger?

Die war zwiespältig. Moderator war Fritz Folger, eines der Urgesteine der Weimarer SPD, allseits bekannt. Er sorgte durch eine sehr kompetente Moderation für einen reibungslosen und fairen Ablauf. Aber im Hintergrund hat es doch ganz schön gegrummelt. In der ersten Reihe die führenden Medienvertreter, in der zweiten Reihe saß die Pressesprecherin von Richard Dewes direkt hinter den Pressevertretern und kommentierte nahezu jede Aussage von Christoph Matschie. Teils hämisch, teils ironisch, aber manchmal auch schlichtweg gehässig. Während auf dem Podium Richard Dewes eindeutig um eine faire und sachliche Diskussion bemüht war, spukte seine Pressesprecherin im Publikum Gift und Galle, da hätte selbst die Jury von "Deutschland sucht den Superstar" noch was lernen können. Man fragt sich als Beobachter schon, wo enden da die politischen Differenzen, wo fängt der Fanatismus an. Ist das, was auf dem Podium vorgetragen wird, wirklich der Hintergrund oder gibt es da Verwerfungen innerhalb der Partei, die man im Moment nicht so durchschaut.

Da kann man doch meinen, dass muss die Partei doch unwahrscheinlich schwächen?

Im Moment steht sie schon vor einer Zerreißprobe, es kann sie aber auch stärken, indem man über Inhalte diskutiert, indem man aufeinander zugeht, indem man sich einfach damit beschäftigt, was man tun soll.

Wie verhielt sich denn gestern das Publikum zu dem Ganzen, die sogenannte Basis?

Ich habe rum gehört und zwei repräsentative Aussagen eingefangen. Die erste kommt von Matthias Bettenhäuser, allseits bekannt, war ehemals Kreisvorsitzender hier in Weimar und er hat sich doch sehr deutlich geäußert: "Ich denke, es war eine faire Diskussion, aber man hat auch klar gesehen, wo die Mehrheiten hier in Weimar liegen. Ich hoffe, dass auch am 24.02., wenn die Urwahl dann stattfindet, wir eine klare Mehrheit für Christoph Matschie hier erzielen werden. Ich hätte mir gewünscht, dass wir noch stärker auf die Inhalte eingehen, denn da hat man am deutlichsten gesehen, dass Richard Dewes für mein Empfinden ziemlich schwach auf der Brust war. Er hat sich mit Floskeln zufrieden gegeben, während Christoph Matschie doch in vielen Punkten sehr konkret geworden ist."

Das war ja schon ziemlich klar, aber es geht immer noch deutlicher und da fand der Kreisvorsitzende der Jungsozialisten eine Aussage, die doch sehr bemerkenswert war: "Es ist ja doch ganz deutlich geworden, dass Richard Dewes im Kreisverband Weimar/Weimarer Land keine Mehrheit hat. Seine Positionierung ist fragwürdig. Ich selber bin nicht davon überzeugt, dass er überhaupt weiß, warum das ist. Das ist für mich 'ne ganz trockene machtpolitische Frage, die er sich hier stellt. Er sieht hier irgendwo die Möglichkeit, nochmal groß rauszukommen. Ich denke, die Mitglieder haben heute hier in Weimar wie auch schon in anderen Verbänden deutlich gemacht, dass sie das nicht wollen."

Jetzt aber trotzdem, die Frage muss ich noch stellen. Das sieht ja alles nach einer sehr verzwickten Situation und nach einer sehr verzwickten Lage in der SPD aus. Wie ist denn deine Einschätzung? Kann sie da wieder herausfinden oder müssen wir uns auf einen permanenten Wahlkampf bis 2009 einstellen?

Die Thüringer SPD ist tatsächlich in einer sehr problematischen Situation im Moment noch. Mit einem Vorsitzenden, der nicht die große Mehrheit seiner Partei hinter sich weiß, kann sie nicht in den Wahlkampf ziehen. Und mit einem ungeliebten Königsmörder schon mal gar nicht. Da bleibt nur ein Ausweg: Die SPD muss am 24.02., am Tag der Urwahl, ihre Reihen schließen und ein deutlichen, ein sehr deutliches Votum abgeben, um sich dann ihrer eigentlichen Aufgabe zu widmen, das ist nämlich, ihre politischen Inhalte und Alternativen den Wählern zu vermitteln.

Und wenn sie das nicht tut, dann kann die nächste SPD-Fraktion im neugewählten Thüringer Landtag froh sein, wenn sie noch eine Doppelkopfrunde zusammenbringt, um sich die Zeit zu vertreiben.